top of page

Kann man 3-4 kg pro Woche nachhaltig abnehmen?

 

Reflexartig kommen meist folgende Einwendungen: 

 

  • "Man kann nicht 3-4 kg pro Woche abnehmen, da ein kg Fett 9.000 kcal entspricht und man somit 31.500 kcal einsparen müsste!"

  • "Wie kann man sich mangelfrei, nachhaltig und ohne Jojo-Effekt mit nur 1.145 kcal am Tag ernähren?"

 

Diese zwei Kritikpunkte, die immer wieder geäußert werden, resultieren einerseits aus einem veralteten und falschen Bild über den Stoffwechsel aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (welches sich hartnäckig hält, zum Teil sogar in der Lehre) und andererseits aus der Tatsache, dass viele Aspekte und Mechanismen des Stoffwechsels, der Physik und der Biochemie vermengt und unzutreffend in Beziehung gebracht werden.

 

Wir versuchen hier in einfach verständlichen Worten auf diese Fragen und Kritik einzugehen:

 

Ja, es stimmt: Reines Fett hat einen Brennwert von 9.000 kcal pro kg. Da das Fettgewebe im Körper nicht reines Fett ist, sondern auch Gewebe beinhaltet, kommt man auf einen Brennwert von 7.000 kcal. Das wären also 24.500 kcal bei 3,5 kg, die man einsparen müsste. Berücksichtigt man weiter, dass wir als Ganzes zu ca. 65% aus Wasser bestehen und dass dieses Verhältnis auch nach der Gewichtsabnahme noch so ähnlich sein wird und sollte, kommt man auf ungefähr 1,225 kg Fettgewebe oder 8.575 kcal, welche man verbrennen müsste, um 3,5 kg Körpergewicht nachhaltig zu verlieren. Das Gewicht von Muskeln, Knochen und Organen soll mehr oder weniger bestehen bleiben. Nur der Fettanteil ändert sich (auch der in den Organen und Muskeln).  1 kg nachhaltige Gewichtabnahme ist nicht gleich 1 kg Fettabnahme, auch wenn das oft hartnäckig behauptet wird. Um 1 kg Körpergewicht nachhaltig abzubauen, müssen Sie als Richtwert ca. 350 gr Fettgewebe abbauen, da Fettgewebe selbstverständlich zum Großteil wie auch der Mensch als Ganzes zu ca. 65% aus Wasser besteht! Kurzfristiger Gewichtsverlust durch Entwässerung bzw. Dehydrierung ist wieder ein ganz anderes Thema, hat jedoch mit der nachhaltigen Betrachtungsweise nichts zu tun.  

Da kommen wir der Sache mit den Kalorien und der Einsparung von 1.225 kcal pro Tag bzw. 175 gr Fett pro Tag, um unser Ziel von -3,5 kg zu erreichen, schon näher. Und dennoch ist auch diese Betrachtungsweise nicht ganz richtig!

 

Der Brennwert in kcal ist ein rein physikalischer Wert, welcher die thermische Energie eines Stoffes angibt. Der Begriff des Brennwertes und die Bezeichnung "Kalorie" (kcal) entstand bereits Ende des 19. Jahrhunderts und gibt den "Brennwert bzw. Heizwert" eines Stoffes im Reagenzglas oder Dampfkessel an. Unser Stoffwechsel funktioniert natürlich vollkommen anders und wesentlich komplexer als ein Dampfkessel – und der Fettstoffwechsel noch einmal ganz anders. In unserem Körper spielen sich biochemische Prozesse ab, welche über Hormone und Enzyme gesteuert, beschleunigt und/oder gehemmt werden. Im Hinblick auf Fettspeicherung, Fettauf- und Fettabbau kommen dabei den Hormonen Insulin und Glukagon die größte Bedeutung zu.

 

Wichtig ist auch zu verstehen, dass für unseren Körper eine Kalorie nicht gleich eine Kalorie ist und Empfehlungen zur die Kalorienanzahl somit nichts weiter als praktische, aber nicht ganz korrekte Hilfsmittel sind. Die einzelnen Lebensmittel bzw. deren Brennwerte werden im Körper sehr unterschiedlich aufgenommen, umgewandelt, ausgeschieden und genutzt. Auch spielen die Kombination, die zeitliche Zufuhr, Abfolge und die Qualitäten eine große Rolle beim Stoffwechsel. Entscheidend sind die enthaltenen Nährstoffe und deren Zuführung. Man kann mit 10.000 „falschen“ Kalorien zu wenige Nährstoffe aufnehmen (Mangelernährung) oder sich eben auch mit 1.145 kcal. optimal versorgen und zusätzlich benötigte Energie aus dem Glykogen-/Fettspeicher beziehen (siehe weiter unten). Die Empfehlungen zur Kalorienanzahl stellen daher nur eine sehr verkürzte Dimension dar. Sie fungieren als statische Kenngrößen und rudimentäre Hilfsmittel in der Ernährungslehre.

Sehr vereinfacht dargestellt funktioniert unser Stoffwechsel (in Wirklichkeit extrem komplex mit vielen Gruppen von Prozessen und Reaktionen, glz. katabol und anabol) in etwa so:
 

Die Energie wird in unserem Körper über das Molekül ATP (Adenosintriphosphat) bereitgestellt. Hierzu braucht es vereinfacht laufend eine Versorgung mit Glucose (Einfachzucker) und Sauerstoff, damit der Energiegewinnungsprozess abläuft.

 

Hauptsteuerungshormone sind Insulin sowie Glukagon. Hauptnachfrager von ATP oder Glucose ist das Gehirn (ca. 70-75%) und nicht die Muskeln - und das ununterbrochen, 24 Stunden am Tag. Kleiner interessanter und beeindruckender Exkurs: Die Gesamtlänge aller Nervenbahnen unseres Gehirns beträgt 5,8 Millionen Kilometer! Das entspricht 145 Erdumrundungen! Die Hauptenergieeinheit ist daher ATP bzw. Glucose im Blut und nicht Kalorien, Fett etc. Fett ist in diesem Zusammenhang nur ein Speicher. Der Prozess läuft über die Leber, die Bauchspeicheldrüse und das Blut ab. Die Leber baut nahezu alle zugeführten Stoffe in Glucose um. Die Bauchspeicheldrüse erzeugt die Steuerungshormone Insulin und Glukagon. Und das Blut  transportiert die Glucose bzw. ATP und den Sauerstoff überall dorthin, wo sie benötigt werden.

 

Zur Energieversorgung bedarf es einer Blutzuckerkonzentration zwischen 60 mg/dl und 140 mg/dl Glucose (neue Einheit Mol). Das sind bei 5-6 Liter Blut ca. 5-6 gr Glucose bzw. ca. 200 gr Glucose pro Tag im Ruhezustand. Fällt der Wert unter 60-80 gr/dl (= Hunger und Leistungsabfall), schreit das Gehirn nach Nahrung. Wir müssen/sollten essen. Hierzu baut die Leber nahezu alles, was sie kann (hauptsächlich Kohlenhydrate) in Glucose um. Kurzfristig kann aus dem Glykogenspeicher (siehe weiter unten) über das Hormon Glukagon Glucose abgerufen werden. Je nachdem, welche Kohlenhydrate der Stoffwechsel bzw. die Leber nun bekommt, sind Ausbeute, Intensität, zeitliche Abgabe, Abfallprodukte und Belastung verschieden. Erhält sie zu wenig, baut sie auch körpereigenes Eiweiß (Muskelgewebe) ab. Steigt der Wert der Blutzuckerkonzentration zu hoch an (z.B. über 120 mg/dl), wird über die Bauchspeicheldrüse das Steuerungshormon Insulin ausgeschüttet und das zu viel an Glucose im Blut in Fett umgewandelt und gespeichert. Zudem wird jeglicher Fettabbau gestoppt und Fett aufgebaut, um Glucose zu binden!

 

Bei der Aufnahme von Kohlenhydraten und der Umwandlung in Fett muss nochmals unterschieden werden: Ein Teil des Überschusses landet als Speicherzucker (= Glykogen) in den Zellen, der Rest wird als Fett in den Fettzellen "langfristig" gespeichert. Bis zu 450 Gramm Glykogen werden als kurz-/mittelfristiger Fettspeicher in Leber und Muskeln gelagert. Dieser „Glucose-Kurzzeitausgleichsspeicher“ versorgt uns auch in der Nacht, denn obwohl wir während des Schlafes nicht essen, benötigt unser Organismus dennoch +/- 95mg/dl Glucose. Das „langfristig“ gespeicherte Fett bekommt man weniger einfach wieder weg und das ist auch das Thema beim Abnehmen. 

 

Kohlenhydratqualitäten und zeitlich richtige Versorgung sind beim Fettstoffwechsel von zentraler Bedeutung: Traubenzucker kann von der Leber, da ein Einfachzucker, sofort und ohne Probleme zu 100% in Glucose umgewandelt werden. Daher liefert er sofort Energie, hält aber lange nicht an. Er erzielt eine kurze Energiespitze und zeigt eine steil ansteigende und steil abfallende Blutzuckerkurve. Der Blutzucker schießt rasch hinauf, unmittelbar gefolgt von einer Insulinausschüttung und fällt ebenso rasch wieder ab. Hunger und Energieabfall in kurzer Zeit sind das Resultat - als Ernährung daher ungeeignet. Bei Fructose können im ersten Schritt hingegen nur 18% unmittelbar in Glucose verarbeitet werden. Der große Rest wird „direkt“ in den Fettzellen der Leber eingelagert (natürlich auch komplexer Prozess). Die Blutzuckerkurve steigt daher langsamer und flacher. Wegen der besseren (= flacheren) Blutzuckerkurve wurde Fructose auch lange als besserer und gesünderer „Zucker“ angepriesen, nur wurde dabei die direkte Einlagerung ins Fett außer Acht gelassen. Heute ist bekannt, dass Fructose Fettleibigkeit und Leberverfettung extrem begünstigt. Ideal sind folglich Kohlenhydrate mit einer möglichst flachen Blutzuckerkurve und gleichzeitig hoher Verwertbarkeit zu Glucose. 

Es ist festzuhalten, dass die meisten der in weiten Teilen der Bevölkerung verankerten Vorstellungen von unserem Fettstoffwechsel inzwischen seit Jahrzehnten wissenschaftlich überholtet sind. Dennoch halten sie sich hartnäckig und werden zum Teil durch die Medien immer noch verbreitet.

 

Wie unzureichend wir über diese Thematik informiert werden und wie wenig die Informationen dem aktuellen Stand der Wissenschaft entsprechen, belegen Umfragen auch unter Experten. So konnten beispielsweise 98% der befragten Experten nicht einmal die Frage "Wohin verschwindet denn das abgenommene Fett?“ korrekt beantworten. Hätten Sie die Antwort gewusst? (Antwort siehe hier)

„Die Gesundheit wird nicht dadurch bewahrt, dass man viel isst, sondern dass man klug isst."

André Malraux (französischer Schriftsteller, 1901 - 1976)

bottom of page